Die Muttertagsambivalenz

 
 

Als meine Kinder mich heute morgen wachgeküsst haben, da ist mein Herz vor Freude und Stolz fast geplatzt. Gleichzeitig war der Gedanke: Wieviele wünschen sich Mutterschaft und es bleibt eine Sehnsucht? Eine Ambivalenz, die ich auch bei guten Freund:innen miterlebe. Und für die es immer wieder ein Schlag ins Gesicht ist wenn den offensichtlichen Müttern gratuliert wird. Mit Rosen im Gottesdienst. Oder im Einkaufszentrum. Stillgeborene Kinder sind kein lebender Beweis der Mutterschaft. Und der Schmerz über ihr Weiterziehen ist nicht sichtbar.

Ebenfalls ambivalent ist für mich, dass es neben meiner wunderbaren eigenen Mutter Barbara Frauen gibt, die mich geprägt haben. Die wichtig für mich waren. Wie z.B. Darci, bei der ich ein Jahr als 16 Jährige unterschlüpfen durfte. Wie Esther, die mich mochte und mag - und ich weiß noch nicht mal warum. Wie Frau Meinel, die mich trotz meines minimalen Verständnisses der französischen Grammatik nicht als hoffnungslosen Fall abgetan hat. Wie Moni und Mäggi,  die mir auf Zeltlagern gezeigt haben, wie man fremden Kindern mit mütterliche Liebe begegnet - auch wenn man sie kaum kennt. Und es gibt mehr Beispiele. All diese Frauen sind - auf die ein oder andere Weise - Teile der Mutter, zu der ich geworden bin. Die ich vor Augen habe und die mich beraten, wenn ich innerliche Dialoge austrage um besser mit meinen Kindern umgehen zu können. Zählt diese Art der Mutterschaft eigentlich genug in unserer Gesellschaft? Eine Mutter zu sein, ohne dass Blut einen verbindet?

Noch ein Gedanke. Ja, heute ist Muttertag. Sollte man diesen Tag heute noch so zelebrieren? Was ist der Tag wert, wenn an den restlichen 364 Tagen des Jahres keine Anerkennung und Dankbarkeit dafür da ist, dass Mütter oft noch zurückstecken wenn es um die eigene Karriere oder die Selbstverwirklichung geht? Wenn es darum geht in den prägenden ersten Jahren daheim zu sein? (Und für die es dann kein Opfer, sondern auch ein Privileg ist, das zu tun?). Wäre es angemessener an diesem Tag als Kinder und Männer auf die Straße zu gehen um für das Schließen der Gender-pay-gap zu demonstrieren? Oder reicht der Weltfrauentag dafür?

Was ist mit den Familien, in denen es keine Mutter mehr gibt? Oder in denen das Verhältnis zur eigenen Mutter angespannt ist?

Ich habe so viele Fragen. Und genieße zeitgleich das Frühstück, dass meine Kinder mir (mit Hilfe ihres wundervollen Vaters) auf den Tisch gestellt haben. Ich vermute, dass meine Einsichten zum Muttertag fragmentarisch sind und bleiben. Sie beleuchten nur ein paar Aspekte die mir durch den Kopf ziehen, während mein Blick auf liebevoll gebastelte Gutscheine fällt (Ausschlafen, in Ruhe gelassen werden, Massagen), ich Blumensamen auspacke und eine Schmetterlingskarte bestaune, die in 1.Klässlerschrift einen Liebesbrief an die Mama enthält.

Seien wir mal ehrlich. Der Muttertag ist ein Tag wie jeder andere. Und doch so anders. Teilweise überfrachtet. Ich werde jetzt erstmal meine Mutte ranrufen und ihr erzählen, wie ich einmal mein Taschengeld zusammengekratzt habe und ein nach Himbeeren duftendes Schaumbad in einem Glasherz gekauft habe. Ich habe das kostbare Geschenk so gut hinter meiner Schreibtischschublade versteckt, dass ich es selbst erst nach einem halben Jahr sehr verstaubt wiedergefunden habe. Und ich werde ihr erzählen, wie sehr ich es geschätzt habe, dass sie so viel Zeit in mich und meine Geschwister investiert hat. Und bis heute da ist, wenn es nötig ist. 

ich erlebe: Mutter zu sein ist nicht immer einfach. Es bringt mich oft an den Rand eines Nervenzusammenbruchs. Mutters zu sein ist schön. Eine kleine (klebrige) Patschhand beim Spazieren gehen in der Hand zu halten ist einmalig. Mutter zu sein hält ein Leben lang an. Und trotzdem ziehen Kinder irgendwann aus und ziehen ihrer eigenen Wege. Mutter zu sein betrifft jeden Tag. Nicht nur den Muttertag. Und ein „Danke“ bekomme ich ehrlicherweise oft zu hören von meinen Kindern. Und ich vertraue darauf, dass das so bleibt. Dass wir ihnen glaubwürdig erscheinen und ihre „Danke“ ein Zeichen davon ist, dass wir als Eltern etwas richtig machen (Side Note: „Wie sagt man?“ „DANKE“ gibts bei uns nicht, weil es nicht glaub-würdig wäre, wenn es nur eine Floskel ist.)

Heute werde ich nichts zum Muttertag bei Instagram posten. Die Stories in meinem Feed sind schon genug gesättigt mit Gratulationen zum Muttertag. Und mein Herz geht raus zu euch Frauen, für die dieser Tag genauso ambivalent ist wie für mich.

Macht’s gut und bis bald mal

 
 
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